Retro Classic Stuttgart, lange Nacht der Museen Stuttgart & Techno Classica Essen
by Thomas Hindinger
Immer wenn das Frühjahr naht und der Winter in den letzten Zügen liegt, verstärkt bei uns Old- und Youngtimer Fahrern der Drang das geliebte und verhätschelte Gefährt wieder in Gang zu setzen. Doch die Vernunft gebietet uns noch zuzuwarten bis die Asphaltbänder durch die ersten Regenschauer endgültig vom Salz befreit wurden und der Kehrwagen noch den letzte Split beseitigt hat um nicht die edle Karosse anzugreifen. Zum Glück gibt es ja nun in dieser Übergangszeit ein paar Veranstaltungen, die uns, besonders auch jenen welche der Wintertristesse noch verfallen sind, aufrütteln und uns Appetit auf herrliche Ausfahrten in noch herrlicheren Automobilen machen. Weiters bieten sie auch die Möglichkeit dem Hobbymechaniker, Selfmaderestaurateur oder Edelrostpolierer sich mit diversen nötigen Utensilien, Teilen und Infos einzudecken.
Einer jungen Tradition folgend, machten wir uns auch heuer wieder auf den Weg nach Stuttgart zur Retro Classic. Um 5:00h morgens bestiegen 8 Enthusiasten das, in einem Anfall geistiger Umnachtung oder auch weiblich-hormoneller Übewältigung…, liebevoll „Streifenhörnchen“ benamsten Gefährt in Form eines weißen Ford Transit mit (rotstreifiger) Kriegsbemalung aus seinem vorhergehenden Leben als Polizeieinsatzfahrzeug. Flott transportierte er uns zum Gral oltimerphobischer Natur, und den einen Kuchen oder die andere Flasche Wein später waren wir auch schon angekommen und betraten die geheiligten Hallen.
Die RetroClassic in Stuttgart befindet sich nun schon einige Jahre lang in den Hallen des neuen Messezentums neben dem Flughafen, einige Kilometer vor den Toren der Stadt. Anfangs noch etwas „unausgelastet“ füllt man heutzutage mit gut 1400 Ausstellern mehr oder weniger alle Hallen bis in den letzten Winkel aus. Und von deren gibt es etliche, genauer 8 mit jeweils etwa 100.000m², zusätzlich noch ein paar Freiflächen (welche aber des nicht so überwältigendem Wetters wegen schlecht besucht waren) den Oldtimerparkplatz für Besucher und die „Aula“ mit dem im Tiefparterre befindlichem Ausstellungsplatz. 80.000 Besucher konnte die Retro damit heuer anlocken.
Auf der Stuttgarter Messe findet sich ein buntes Gemisch an Fahrzeugen vieler Zeitperioden, es überwiegen aber doch die Fahrzeuge aus den späten 50er, den 60er & immer stärker den 70er Jahren. Und auch die durchaus vorhandene Markenvielfalt wird durch ein (subjektives?) Überangebot von Mercedes-Benz und Porsche Fahrzeugen nicht so wirklich wahrgenommen. Viele Clubs sind seit jeher ein fester Bestandteil der Szenerie, und das ist gut so, bieten gerade diese eine Vielfalt und Einblick in die Geschichte vieler heute schon vergessener Alltagsfahrzeuge. Und neben den vielen Händlerständen mit ihren hochglänzenden, teils überrestaurierten Fahrzeugen schafft man so ein Gegengewicht hin zur Realität, in mehrerlei Hinblick, der Marken und Artendurchmischung wie auch der Zustands-Erdung.
Auch in diesem Jahr gab es auch wieder eine Halle mit Bussen und Lastkraftwägen die wohl jedem Enthusiasten dieses Faches die Freudentränen ins Gesicht trieben, aber auch dem Alt-PKW Besitzer ein freudiges Schmunzeln oder auch ein ungläubiges Erstaunen ins Gesicht zauberten. Auch die Freunde vergangener Zweiradzeiten kamen auf Ihre Kosten.
Neben den opulenten Händlerständen mit opulenten Fahrzeugen samt noch opulenterer Preisgestaltung, gab es auch noch die Privatverkäufer die Ihr Glück suchten. Die Preise für Fahrzeuge, ob Händler oder Privat, dürfen durchaus als gehoben angesehen werden. Natürlich wird dieser auf Messen dieser Art niemals zu niedrig angesetzt, aber man darf hier durchaus von einem hohen Niveau sprechen, dem die Zustände der Fahrzeuge teilweise doch etwas hinterherhinken. Dabei muss man aber feststellen, das dieser erst kürzlich zu verzeichnende Trend nach oben aktuell wieder einen, wenn auch kleinen, Dämpfer erhalten hat.
Wer also Fahrzeuge kaufen möchte ist sicher gut beraten vorher andere Quellen abzufragen, außer Zeit ist viel Geld, denn die Auswahl auf so zentriertem Punkt ist doch sehenswert.
Mehr Freude werden hier die Bastler und Schrauber haben. Werkzeuge und zugehörige Händler gibt es genügend, auch Teile werden einige Angeboten, und wer gut vergleicht kann hier zusätzlich noch einige Euros sparen. Allerdings gilt dies mit Einschränkungen. Gebrauchte Teile gibt es eher wenig, ausgenommen für Mercedes und Porsche Fahrzeuge. Auch einige italienische Marken sind gut vertreten. Die Nähe zu Italien ist auch insofern deutlich zu spüren, als das einige Händler(Teile wie Fahrzeuge) aus Italien angereist sind, ebenso wie auch ein merklicher Teil des Publikums.
Sehr erfreulich für mich war natürlich das Vorhandensein eines Clubstandes für englische Fahrzeuge, welcher auch den einen oder anderen Rover mit einschloss.
Da wir auf Grund der Größe der Veranstaltung auch heuer wieder 2 Tage verweilten vieles uns nicht schwer am Abend das Gelände etwas früher als üblich (also 30 Minuten nach Schluss) zu Verlassen. Wir bezogen unser nahe gelegenes Hotel und machten uns danach auf Richtung Stuttgart City. Per Zufall hatten wir nämlich mitbekommen, dass just an diesem Wochenende die lange Nacht der Museen in Stuttgart steigen sollte. Mit dabei das Mercedes-Benz wie auch das Porsche Museum. Verbunden wurden diese beiden wie auch das neue Schloss, Sitz der Landesregierung und diesmal erstmalig öffentlich zugänglich, verbunden wurden diese 3 Lokalitäten also mit einem rollenden Museum. 50 verschiedenen Oldtimer, zur Verfügung gestellt und chauffiert von deren Besitzern, organisiert durch den hiesigen Oldtimerclub, ermöglichten ein stilvolles wechseln zwischen den Schauplätzen. Darunter befanden sich neben diversen Mercedes Limousinen (Ponto, Flosse,…) und einigen Porsche (386,…) auch Jaguar, Käfer und Co sowie einige Exoten der Marken Chevrolet, Dodge, Alvis,.. und ein Mercedes Langhauber-Bus.
Das konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen, und so beeilten wir uns in die Stadt zu kommen um noch einen Parkplatz in der Nähe des Mercedes-Benz Museum zu ergattern. Am Museum eingetroffen lösten wir sofort eine Karte und stellten uns gleich an um so schnell als möglich zum Porsche Museum chauffiert zu werden. Da dieser Fahrdienst in dieser weise nur bis Mitternacht angeboten wurde, wollten wir sichergehen auch mit selbigen wieder zurückgefahren zu werden. Im Porsche Museum war schon eine nette Party im Gange, laute Musik und Lichtspiele empfingen uns, die Werkstatt war zu einer Disco-Tanzfläche umgestaltet, der Eingang eine gut besuchte Bar. Im eigentlichen Museumsraum war davon nichts zu hören und so konnte man sich in Ruhe die Frage diskutieren, ob der älteste Porsche, welcher kürzlich erst aufgetaucht ist nun wirklich von Ferdinand Porsche stammte oder die eingeschlagenen Buchstaben (P1) nur eine Täuschung darstellten.
Nach einer genüsslichen Runde verließen wir das Museum wieder per Oldtimer zurück zum Ausgangspunkt, dem Mercedes-Benz Museum, um auch hier alle Winkel zu erkunden. Wer alles ganz genau erfahren wollte konnte hier auch an einer Führung teilnehmen, was wir uns aber aus zeitlichen Gründen nicht erlaubten.
Zu den beiden Museen gibt es so viel zu Erzählen, dass es den Rahmen sprengen würde, darum belassen wir es jetzt dabei, dass es uns sehr gefallen hat.
Zum Fahrdienst allerdings gäbe es schon eine Anmerkung zu machen. Die Tatsache das die Besitzer der Fahrzeuge weder Benzingeld bekamen noch sonst wie für Ihr Engagement belohnt wurden ist angesichts des Kartenpreises unverständlich, gleichzeitig aber eine Beweis für deren große Hingabe diese rollenden Repräsentanten längst vergangener Zeiten anderen Interessierten aktiv zugänglich zu machen. Immerhin ist dies ja nicht mit einer schnöden Taxifahrt oder gar mit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel vergleichbar. Weiters möchte ich an dieser Stelle aber auch die beiden Hersteller ein wenig in die Pflicht nehmen. Es war mir schon sehr unverständlich, dass weder Fahrzeuge, Fahrer noch irgendeine Serviceleistung oder Kraftstoff für diesen Dienst zur Verfügung gestellt wurden. Gerade die Stuttgarter Automobilbauer hätten in Ihrer eigenen Stadt eine großartige Möglichkeit gehabt, den Besuchern Ihre viel gelobte Geschichte hautnah erleben lassen zu können! Natürlich ist es schön die Fahrzeuge im Museum zu besichtigen, aber ist es nicht tausendmal faszinierender und nachhaltig beeindruckender diese Fahrzeuge auf der Straße wahrhaftig erleben zu können! Ich bin nach dieser Aktion jedenfalls dieser Überzeugung.
Nach diesem doch sehr anstrengendem Tag freuten wir uns schon sehr als wir kurz vor 2:00h morgens in die Betten des Hotels sinken konnten. Nach einem reichlichen Frühstück am nächsten Tag begaben wir uns wieder auf die Messe um nun die Teile zu Besichtigen welche uns noch gefehlt haben. Auch für das eine oder andere Gespräch blieb diesmal mehr Zeit. Auf dem Programm standen unter anderem die Sonderschau französischer Luxusfahrzeuge von der Nachkriegsära bis in die 60er Jahre vom Schlage eines Delahaye, Voisin, Bugatti (darunter auch ein „Royale“)usw.
Kurz vor 17:00h als wir aufbrachen waren wir uns zwar darüber im Klaren gewiss noch etwas nicht gesehen zu haben, aber die Fülle an Eindrücken übertraf unsere Aufnahmefähigkeit bei weitem und der Schmerz in unseren Füßen trug das restliche dazu bei.
Dies alles konnte aber 2 von unserer Truppe nicht davon abhalten 2 Wochen später die Techno Classica in Essen anzusteuern. Das letzte Mal als wir diese Messe besuchten war schon einige Jahre her. Damals war sie die mit Abstand größte Oldtimermesse in Europa gewesen, Stuttgart konnte man damals durchaus in einem Tag bewältigen. Wir waren also gespannt was uns diesmal erwartete und wie heute der Vergleich zur Konkurrenz ausfallen würde.
Die Anreise ist jedenfalls schon weitaus länger und beschwerlicher. Wir fuhren diesmal mit einem herkömmlichen Wagen und wir machten uns schon Donnerstags am früheren Nachmittag auf den Weg, in der Hoffnung am Freitag weniger Trubel zu erleben als an Wochenenden. Nach gut 8 Stunden fahrt, verzögert durch viele Elefantenrennen, Baustellen und den Feierabendverkehr, freuten wir uns schon auf unser Hotel und ein warmes Abendessen welches wir in einer nahe gelegenen Kneipe einnahmen.
Am nächsten Tag nach dem Frühstück brachen wir gegen 8:15h auf um rechtzeitig zu Messebeginn um 9 an der Kasse zu stehen. Von Duisburg nach Essen waren es ein paar Kilometer und Freitags war doch noch mit einigem Morgenverkehr zu rechen. An der Messe angekommen, verpassten wir es uns in der schon ziemlich langen Schlange zu Parkplatz hintanzustellen. Wir beschlossen als noch eine Runde zu fahren und fanden dabei zufällig einen kostenfreien Parkplatz. Den Fußweg von gut 10 Minuten nahmen wir gerne in Kauf und so durchschritten wir um etwa 20 nach 9 mit einem Ticket bewaffnet den Eingang und begaben uns schnurstracks in die erste und größte Halle der Messe die Nr. 3.
Die Techno Classica ist im Vergleich zur Retro Classic eine Messe die nicht so stark Mercedes und Porsche geprägt ist. Trotzdem zog sie heuer knapp 200.000 Besucher auf Ihre 130.000m² Ausstellungsfläche. Zur heurigen 26. Auflage hatten zwar auch diese beiden Hersteller viel Aufwand getrieben. Mercedes hatte gemeinsam mit einigen Markenclubs eine ganze Halle eingerichtet, teils mit Fahrzeugen die wir 2 Wochen vorher noch im Museum bewundern durften. Und auch die Porschefraktion war vor allem mit Restaurateuren, Händlern, Ersatzteil und Zubehörspezialisten und diversen Clubs aber auch einem kleinen Werksstand sehr stark vertreten. Dennoch war die Mischung im gesamten homogener. BMW zeigte in einer Halle eine guten Mix von alten und auch neueren Fahrzeugen auf 2 bis 4 Rädern, die Evolutionsstufen der alten Minis wurde auch sehr schön dargestellt und mit der Gegenwart verbunden. Der Volkswagenkonzern präsentierte all seine Marken ebenfalls in einer eigenen Halle, wobei man teilweise durchaus weniger neuere Modelle hätte auffahren können (3 Bugatti Veyron und einige modernere Bentleys sind zwar schön anzusehen, und auch nicht alle Tage zu bewundern, dennoch,) wir sind hier auf einer Oldtimermesse und hier sollte die Geschichte der Marken im Vordergrund stehen.
Als „Entschädigung“ holten wir uns zur Stärkung am 60er Jahre VW Imbisstand (mit Bulli und Co.) eine originale Volkswagen Currywurst (aus der hauseigenen Metzgerei). Sehr lecker!
Beim deutlich bescheideneren Stand von Opel wurde der 50ste Geburtstag der KAD-Reihe, also den Modellen Kapitän, Admiral und Diplomat gefeiert. Es waren einige Fahrzeuge beiden Generationen ausgestellt und deren Unterschiede beschrieben, auch einige Sonderfahrzeuge der Baureihe waren zu sehen.
Ford servierte uns unter anderem einen von 50 Leichtbau Renn Capris, während Maserati sein 100 jähriges mit einigen Preziosen, der Citroen Club würdigte dann noch 60 Jahre Hydropneumatik und, und, und. Sehr auffällig an dieser Messe waren auch die vielen Teilestände welche eine große Auswahl auch für eher ausgefallene Fahrzeuge bereit hielten. Die Nähe zu den Grenzen Frankreichs, Belgien, Hollands, sowie auch der „kurze“ Weg von Britannien, usw. brachte ein doch ungewohntes aber breites und erfrischend anderes Angebot für dort ansässige bzw. beliebte Marken mit sich. Ein ähnliches Bild bot sich auch bei den Dienstleistern, ungewöhnlich viele Engländer boten hier an, hier kamen also viele britannisierte aber auch frankophile Fahrzeugliebhaber auf Ihre Kosten bzw. zu benötigten Teilen oder Werkzeugen. Auch auf den privaten Fahrzeugverkaufsflächen fanden sich viele Stücke von der Insel, allerdings , dass muss dazu angemerkt werden, zu Preisen die auch durch die erfolgte und bezahlte Überfahrt aufs Festland nicht zu rechtfertigen sind.
Wer eine große Auswahl an wirklich alten Fahrzeugen sehen möchte ist auf dieser Messe ebenfalls sehr richtig. Viele Händler waren mit sehr ausgesuchten Stücken angereist, hier konnte man z.B. bei einem von Ihnen 5 Zwischenkriegs Rolls Royce besten Zustands in einer Reihe bewundern. Auffällig geschmackvoll war die zentrale Halle Nr.6 eingerichtet. Die vielen edlen (Händler) Karossen waren in schöner Kulisse drapiert, dazwischen mal ein Springbrunnen und alles untermalt von einer zentral postierten Lifeband, alles sehr stilvoll.
Was mich, im Vergleich zu früheren Besuchen allerdings schon etwas traurig gemacht hat, ist die Tatsache, dass einige Marken, vor allem die bei uns nicht so teuren Fahrzeuge der Massenhersteller z.B. aus Frankreich heute bei weitem nicht mehr so gut präsentiert wurden. Dies liegt zum einen daran, dass die Stände der Hersteller bzw. Importeure fernab der Stände der Clubs lagen. Andererseits kam mir zu Ohren, war es auch die Ausrichtung der Messe hin zu größerer Kommerzialisierung, also Vergrößerung der Flächen für Händler und die nicht sehr förderliche Preispolitik für Clubs die den Ausschlag gab. Für eine Messe die vom zahlenden Gast das Doppelte nimmt wie jene flächenmäßig fast gleich große im Süden ist das kein gutes Argument um bald wieder zu kommen. Aja, und Rover ist mir auch keiner vor die Linse gehüpft!
Fazit: Die Retro Classic ist zu vergleichen mit guter alter Hausmannskost. Die Markenvielfalt ist zwar etwas eingeschränkt bzw. betont regional dafür in vielen Nuancen ausgeprägt. Hier kommen auch Liebhaber historischer LKWs, Busse und Landwirtschaftsmaschinen auf Ihre Kosten und das zu moderaten Eintrittspreisen.
Die Techno Classica bietet hingegen eine größere Vielfalt an Herstellern und mehr Exklusivität. Allerdings in Hinsicht auf die Vielfalt leider nicht mehr in dem Maße vergangener Tage. Dennoch, wer seinen Horizont erweitern möchte oder auch Teile für Fahrzeuge aus dem äußersten Westen Europas sucht, dem sei diese Messe an Herz gelegt, auch wenn der Weg ein Stückchen länger ist.